Was ist los, wenn am Vatertag plötzlich 3.000 Menschen am Vörder See stehen? Wenn Bluetooth-Boxen dröhnen, Dosen und Flaschen klirren, Mülltonnen überquellen und Anwohner mit Sorgen auf den Lärm und die Hinterlassenschaften blicken? In den sozialen Medien, aber auch in Leserbriefen der Lokalpresse wurde die Frage in diesem Jahr hitzig diskutiert. Es ging um Respekt, um Sauberkeit – aber auch um Kultur, Sicherheit und die Rolle der Politik. Und wie so oft, wenn sich Emotionen mit Einzelbeobachtungen vermischen, droht der Blick auf das große Ganze verloren zu gehen.
Ich möchte diesen Beitrag nutzen, um die Debatte in ruhigere Bahnen zu lenken. Nicht, um etwas schönzureden – sondern weil ich davon überzeugt bin, dass wir mehr erreichen, wenn wir sachlich und lösungsorientiert denken. Auch im Umgang mit jungen Leuten, die an einem freien Tag feiern wollen, wie Generationen vor ihnen.
Der Vatertag ist kein neues Phänomen. Auch in Bremervörde war es in den letzten Jahren regelmäßig so, dass sich Gruppen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf den Weg Richtung See gemacht haben. Die meisten mit Musik, Getränken und Freunden – einige leider auch mit einer Haltung, die Grenzen überschreitet. Die Dynamik ist bekannt. Und doch wirkt es oft so, als würde man jedes Jahr aufs Neue überrascht reagieren. Dabei wäre genau das der entscheidende Punkt: Die Stadt weiß, was passiert. Sie kann sich vorbereiten. Und sie tut es auch in Teilen. Dass seit einiger Zeit ein privater Sicherheitsdienst beauftragt wird, um am Vatertag für Ordnung zu sorgen, ist ein gutes Signal. Aber es reicht nicht aus, nur auf Störungen zu reagieren. Es braucht ein Konzept, dass über Kontrolle hinausgeht – hin zu kluger Steuerung, klaren Regeln und sichtbarer Präsenz.
Wer den Vörder See kennt, weiß: Er ist nicht nur Naherholungsraum, sondern auch Begegnungsort. Spaziergänger, Familien, Radfahrer, Jugendliche – hier mischen sich viele Interessen. Das funktioniert an normalen Tagen meist gut. Aber an einem Tag wie dem Vatertag treffen auf engem Raum sehr unterschiedliche Erwartungen aufeinander. Manche wollen feiern, andere entspannen. Die einen lassen Müll liegen, andere ärgern sich darüber. Diese Spannungen lassen sich nicht durch Verbote allein auflösen. Sie lassen sich aber entschärfen, wenn man frühzeitig kommuniziert, Angebote schafft und Verantwortung verteilt. Dazu gehören ganz praktische Maßnahmen wie mobile Toiletten an den Hauptsammelpunkten, zusätzliche Mülltonnen oder Container mit klarer Kennzeichnung, Anlaufstellen für Erste Hilfe, Orientierung und Kommunikation, sichtbare Ansprechpartner der Stadt oder ehrenamtlicher Initiativen sowie transparente Regeln – zum Beispiel was Musiklautstärke, Glasflaschen oder Feuer betrifft. Solche Maßnahmen kosten Geld. Aber sie lohnen sich. Denn der Imageschaden für eine Stadt entsteht nicht durch das bloße Feiern, sondern durch das Gefühl, dass niemand hinschaut. Dass niemand zuständig ist. Hier muss sich Politik und Verwaltung die Frage stellen: Ist uns dieser Tag eine Investition wert? Ich meine: Ja.
Besonders kritisch sehe ich, wenn in der öffentlichen Diskussion pauschale Urteile über „die Jugend“ gefällt werden. Wer mit Anfang 20 mit Freunden feiern will, handelt nicht automatisch verantwortungslos. Viele Gruppen benehmen sich korrekt, räumen ihren Müll weg und schlicht Freude am Zusammensein. Sie alle unter Generalverdacht zu stellen, hilft niemanden. Im Gegenteil: Es entfremdet. Städte, die gute Erfahrungen gemacht haben, setzen auf Partizipation. Sie sprechen mit Jugendlichen, statt über sie. Sie laden ein zur Mitgestaltung – sei es bei der Planung, der Müllentsorgung oder beim kulturellen Rahmenprogramm. Warum sollte das nicht auch in Bremervörde möglich sein? Ein kleiner Bühnenbereich, ein Foodtruck oder Musikangebote, die bewusst gesetzte Gegenpunkte zur Dauerbeschallung durch Boxen setzen – das sind keine Luxusideen, sondern Investitionen in ein gute Miteinander. Und vielleicht ließe sich sogar eine Art „Vatertags-Patenschaft“ etablieren, bei der Vereine, Schulklassen oder Jugendgruppen Verantwortung übernehmen – mit Unterstützung der Stadt.
Klar ist: Wenn es zu Pöbeleien, Bedrohungen oder Sachbeschädigungen kommt, muss der Rechtsstaat reagieren. Das ist nicht verhandelbar. Polizei und Ordnungsamt haben dabei die Aufgabe, Verhältnismäßigkeit zu wahren – aber auch konsequent einzuschreiten, wenn Regeln verletzt werden. Wichtig ist aber: Präsenz heißt nicht immer Konfrontation. Wer sichtbar und ansprechbar ist, kann deeskalieren, bevor Situationen kippen. Dafür braucht es keine martialischen Auftritte, sondern Haltung, Erfahrung und Kommunikation auf Augenhöhe.
Der Vatertag kann für Bremervörde mehr sein als nur eine Herausforderung. Er kann ein Symbol dafür sein, wie die Stadt mit Wandel umgeht. Wie sie unterschiedliche Bedürfnisse in Einklang bringt. Und wie sie offen bleibt für alle Generationen. Dazu gehört auch, dass man das Geschehen nicht nur als Ärgernis für Touristen oder Investoren betrachtet. Ja, eine durchfeierte Liegewiese ist kein schöner Anblick. Aber sie sagt auch: Hier lebt etwas. Hier gibt es Energie, hier gibt es Menschen, die sich begegnen wollen. Der Umgang damit entscheidet über das Bild, das Bremervörde abgibt – nicht der bloßen Ereignisse.
Wie müssen nicht jeden Auswuchs entschuldigen. Aber wir dürfen auch nicht jede Party als Problem betrachten. Wer mit Maß und Haltung auf die Herausforderungen rund um den Vatertag reagiert, kann langfristig Vertrauen schaffen – bei Anwohnern, bei Jugendlichen und bei allen, die sich eine Stadt wünschen, die gestaltet statt meckert. Nicht alles lässt sich durch Regeln lösen. Aber vieles durch kluges Handeln. Und genau das wünsche ich mir für Bremervörde.