Im Oktober 2005 übernahm ich den Vorsitz des FDP-Ortsverbands Bremervörde. In dieser Woche habe ich diesen Staffelstab weitergegeben. Nach 20 Jahren aktiver Arbeit als Vorsitzender, auch ohne eigenes Mandat, endet damit ein Kapitel, das mich politisch und persönlich geprägt hat. Es war kein Amt auf Zeit, sondern eine Aufgabe aus Überzeugung. Auch ohne Ratsmandat habe ich in diesen Jahren Verantwortung übernommen – als Ansprechpartner für Bürger, Organisator vor Ort und Stimme in der politischen Debatte.
Wenn ich auf diese zwei Jahrzehnte zurückblicke, dann nicht mit Wehmut, sondern mit Respekt vor dem, was gelungen ist, und Demut vor dem, was offen geblieben ist. Ich durfte miterleben, wie aus ersten vorsichtigen Anläufen eine funktionierende liberale Stimme in der Stadtpolitik wurde. Wir haben mit Veranstaltungen, Anträgen und klaren Positionen sichtbare Spuren hinterlassen – auch ohne große Mehrheit, aber mit Haltung. Ich habe gelernt, wie schwer es ist, Mehrheiten zu organisieren, wie mühselig politische Überzeugungsarbeit im ländlichen Raum sein kann und wie wichtig Geduld und Ausdauer sind. Politik ist kein Kurzstreckenlauf. Sie braucht Haltung, nicht Lautstärke. Sie braucht Menschen, die auch dann noch arbeiten, wenn die Öffentlichkeit längst weitergezogen ist.
Entstanden ist dieses Engagement nicht im Hinterzimmer, sondern am Küchentisch. 2004 brachte mich ein Buch von Guido Westerwelle auf den Gedanken, politisch aktiv zu werden. Es war aber ein Satz meiner Frau, der den Ausschlag gab: „Nicht immer nur meckern, sondern selber machen.“ Das war keine Floskel, sondern ein Impuls, der bis heute nachwirkt. Die ersten Monate waren holprig. Ich war neu, musste mich einarbeiten, war manchmal ungeduldig. Nicht jeder in der Partei war ein Mitstreiter, nicht jede Entscheidung klug. Aber Politik lebt vom Versuch, nicht vom Zynismus. Und ich habe nie aufgehört, dazuzulernen.
Natürlich waren da auch Rückschläge. Wahlabende mit enttäuschenden Ergebnissen, Leserbriefe mit scharfer Kritik, Anträge, die keine Mehrheit fanden. Aber das gehört dazu. Wer gestalten will, muss einstecken können. Und es waren auch viele gute Jahre. Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, konstruktive Debatten in der Ratsfraktion, gemeinsame Aktionen mit dem Orts- und Kreisverband. Politik funktioniert nicht ohne Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, auch wenn der Lohn nicht immer sichtbar ist. Ich habe solche Menschen kennengelernt – bei uns in der FDP, aber auch in anderen Parteien, Vereinen und Initiativen. Das hat meinen Blick auf die Stadt verändert.
Ein Generationswechsel ist kein Abbruch, sondern eine Fortsetzung mit anderen Mitteln. Ich bin überzeugt, dass jetzt die richtige Zeit ist, um Jüngeren die Bühne zu überlassen. Politik braucht frische Ideen, neue Perspektiven und Menschen, die nicht mit der Vergangenheit beschäftigt sind, sondern mit der Zukunft. Ich wünsche meinem Nachfolger nicht nur Erfolg, sondern auch Rückgrat. Denn es ist nicht einfach, in der heutigen Zeit für Freiheit, Eigenverantwortung und einen klaren Kurs einzustehen, ohne sich anzubiedern.
Bin ich jetzt im politischen Ruhestand? Ganz sicher nicht. Die Herausforderungen sind zu groß, um sich einfach zurückzulehnen. Wenn wir erleben, wie politische Extreme – egal ob von rechts oder von links – Debatten bewusst polarisieren und die Gesellschaft spalten, dann darf niemand schweigen, der unsere freiheitliche Ordnung verteidigen will. Ich habe erlebt, wie es ist, für Positionen kritisiert zu werden, die früher in der politischen Mitte selbstverständlich waren. Wer sich heute klar für Leistung, Rechtsstaat und Meinungsfreiheit einsetzt, wird nicht selten in Schubladen gesteckt. Oft reicht schon eine klare Position aus, um im Netz oder in der Presse vorschnell abgestempelt zu werden – ohne ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Das zeigt, wie sensibel und zugleich entscheidend der Ton in der politischen Auseinandersetzung geworden ist.
Ob mein politischer Weg weiterhin in der FDP verläuft, wird sich zeigen. Für mich zählt nicht allein das Parteibuch, sondern die Haltung, mit der jemand Verantwortung übernimmt. Ich werde mich dort einbringen, wo meine Erfahrung gebraucht wird. In meinem Blog, in Leserbriefen oder im direkten Gespräch – ich werde meine Stimme erheben, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas aus dem Lot gerät. Ich werde mich äußern, wenn ich den Eindruck habe, dass unser Miteinander leidet oder politische Entscheidungen aus dem Gleichgewicht geraten. Etwa dann, wenn Symbolpolitik Vorrang vor konkreten Lösungen bekommt oder wirtschaftliche Vernunft unter ideologischen Druck gerät. Und ich werde auch dann nicht schweigen, wenn der Wind rauer wird. Denn Demokratie lebt von Menschen, die nicht ausweichen, wenn es unbequem wird. Sie lebt von Haltung, nicht von Mitläufertum. Gemeint sind nicht Gegner oder Kritiker, sondern jene, die Verantwortung tragen, aber lieber schweigen, wenn es unbequem wird.
Bremervörde kann mehr. Davon bin ich überzeugt. Aber dafür braucht es Menschen, die sich nicht nur beschweren, sondern handeln. Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Ich war einer von ihnen – ich bin einer von ihnen. Und ich hoffe, dass noch viele folgen.