Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der politische Wille durchsetzt, der Realität ins Auge zu sehen. Das EU-Parlament hat mit seiner Entscheidung vom 8. Mai ein klares Zeichen gesetzt. Der Wolf wird künftig nicht mehr als streng geschützt, sondern nur noch als geschützt eingestuft. Für viele auf dem Land ist das kein Tabubruch, sondern längst überfällige Korrektur. Die Wolfspopulation hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Wer draußen lebt, Tiere hält oder mit Landwirtschaft, Jagd und Waldwirtschaft zu tun hat, weiß längst, dass romantische Vorstellungen vom Wolf als bedrohtem Einzelgänger nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Weidetierhalter, Familienbetriebe und Schäfer stemmen sich seit Jahren gegen einen staatlich geschützten Raubtierbestand, der ihre Existenz gefährdet. Wenn Wölfe Schafe reißen, Ponys angreifen oder selbst tagsüber immer näher an Dörfer herankommen, hat das nichts mit Naturidylle zu tun. Es ist ein Konflikt zwischen Stadtbild und Landrealität. Viele Menschen, die sich lautstark für den Schutz des Wolfs aussprechen, legen in Ballungsräumen, haben keinen Kontakt zur Weidetierhaltung und kennen die Folgen nicht. Die, die vor Ort Verantwortung tragen, sind es leid, sich als Naturfeinde hinstellen zu lassen, nur weil sie aufzeigen, dass Herdenschutzmaßnahmen nicht mehr ausreichen und Entschädigungszahlungen keinen Ausgleich schaffen.
Die neue Einstufung durch die EU schafft endlich die rechtliche Grundlage, um den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen. Das bedeutet nicht das Ausrotten, sondern das Regulieren. Es geht nicht im Abschuss aus Prinzip, sondern um gezielte Entnahme da, wo Gefahr besteht und wiederholte Übergriffe geschehen sind. Genau das ist pragmatischer Artenschutz. Den Bestand erhalten, aber Eingriffe ermöglichen, wenn das Gleichgewicht kippt. Dass Niedersachsen hier eine Vorreiterrolle übernehmen kann, liegt an der guten Datenlage und der regionalen Erfahrung mit dem Thema. Jetzt muss die Bundesregierung handeln, damit aus der europäischen Beschlusslage auch nationales Handeln wird.
Es ist nicht das erste Mal, dass ideologische Vorstellungen über den ländlichen Raum gestülpt wurden. Beim Wolf wird sichtbar, was oft unterschätzt wird: Der Erhalt von Artenvielfalt gelingt nicht gegen die Landbevölkerung, sondern nur mit ihr. Wer die Akzeptanz vor Ort verspielt, gefährdet auch langfristig den Natur- und Tierschutz. Der Wolf hat durch jahrelangen Schutz seinen günstigen Erhaltungszustand erreicht. Daraus folgt die Pflicht, den Schutz an die Realität anzupassen. Wer das verweigert, spielt nicht nur mit der Existenz von Tierhaltern, sondern auch mit der Akzeptanz des Naturschutzes als Ganzes.
Das sich jetzt auch sozialdemokratische Abgeordnete wie Tiemo Wölken dieser Sichtweise anschließen, ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass sich der Blick auf das Thema versachlicht. Es geht nicht im Symbolik, sondern um Verantwortung. Der Landschaftsschutz lebt von extensiver Weidetierhaltung, nicht von Tabus. Der Küstenschutz braucht Deichschafe, nicht Wolfsbestände ohne Grenzen. Die Artenvielfalt auf artenarmen Flächen entsteht nicht durch Totalverzicht, sondern durch aktive Pflege. Dafür braucht es Weidewirtschaft, die nicht permanent in der Defensive ist, sondern politisch unterstützt wird.
Die FDP in Niedersachsen hat sich früh für eine realistische Wolfsregulierung eingesetzt. Dass unser Europaparlamentarier Jan-Christoph Oetjen nur klar formuliert, was viele denken, ist ein starkes Signal. Es geht nicht im Jagdromantik, sondern um Koexistenz. Die beginnt mit klaren Regeln und einem fairen Ausgleich zwischen Schutz und Nutzung. Wer den Wolf nicht kontrolliert, gefährdet langfristig seine Akzeptanz. Wer aber bereit ist, Grenzen zu ziehen, schützt auch den gesellschaftlichen Frieden zwischen Stadt und Land.
Die Zeiten der Wolfsromantik sind vorbei. Was wir jetzt brauchen, ist ein nüchterner, faktenbasierter Umgang mit einem Tier, das nicht mehr vom Aussterben bedroht ist, sondern zurückgekehrt ist in eine Kulturlandschaft, die nur nur dem Wolf, sondern auch dem Menschen und seinen Tieren gerecht werden muss.