Ein historischer Tag, aber keiner, auf den man stolz sein kann. Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang zur Kanzlerwahl durchgefallen. Und das, obwohl CDU, CSU und SPD noch am Vortag ihren Koalitionsvertrag unterschreiben haben. Das Papier war kaum trocken, da zeigt sich, wie wenig Verlässlichkeit in diesem Bündnis steckt. Merz erhielt 310 Stimmen, sechs zu wenig. Dabei verfügen die Koalitionsfraktionen gemeinsam über 328 Sitze. Eigentlich hätte es locker reichen müssen. Hat es aber nicht. Und das ist kein Versehen, kein Formfehler, keine Bagatelle. Es ist ein politischer Affront. Einer, der weit über die Person Merz hinausgeht.
Als Liberaler, der viele Jahre für die FDP gearbeitet und Verantwortung getragen hat, kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Nicht weil ich Friedrich Merz in jeder Position folge. Sondern weil hier eine klare demokratische Mehrheit gezielt unterlaufen wurde. Weil Abgeordnete, die Verantwortung tragen sollen, sich dieser Verantwortung entziehen. Und weil dieses Verhalten allen schadet, die auf eine stabile und vernunftgeleitete Regierung gehofft haben. Auch denen, die sich eine Rückkehr der FDP in den Bundestag wünschen.
Dieses Abstimmungsergebnis ist ein fatales Signal. Nur nur an Merz, sondern an die politische Mitte insgesamt. Denn auch wenn die FDP aktuell nicht im Bundestag vertreten ist, gibt es viele Wähler, die liberale, freiheitliche und wirtschaftlich vernünftige Politik vermissen. Die auf Ausgleich setzen statt auf Ideologie. Die Leistung und Eigenverantwortung schätzen. Und die zu Recht erwarten, dass große Volksparteien, wenn sie schon gemeinsam regieren wollen, auch liefern.
Dass Merz im ersten Durchgang scheitert, ist kein Zufall. Es ist ein gezielter Schlag. Wer die Zahlen kennt, erkennt schnell: Es war nicht Stimmen aus der Opposition, die das Ergebnis gekippt haben. Es waren Abgeordnete aus CDU, CSU und SPD. Sie haben sich enthalten oder mit Nein gestimmt. Menschen, die einen Koalitionsvertrag unterschreiben, sich dann ins Parlament setzen und den eigenen Kanzlerkandidaten durchfallen lassen. Das ist kein politisches Handeln mehr. Das ist Inszenierung auf Kosten derer, die auf Stabilität setzen. Auf Kosten derer, die dieses Land durch schwierige Zeiten führen wollen.
Gerade jetzt, wo vieles ins Rutschen geraten ist, hätte die politische Mitte Stärke zeigen müssen. Sie hätte beweisen müssen, dass man sich auf sie verlassen kann. Stattdessen wird der Mann torpediert, der für Ordnung, wirtschaftliche Vernunft und staatliche Verlässlichkeit steht. Auch wenn ich nicht jede Position teile, ist sein Scheitern ein Warnsignal. Ein Signal an alle, die glauben, mit parteitaktischen Spielchen ließe sich Vertrauen zurückgewinnen.
Wer so handelt, beschädigt nicht ein einen Koalitionspartner. Er beschädigt das Vertrauen in unser gesamtes demokratisches System. Und genau das ist es, was mich wütend macht. Nicht weil ich mir eine bestimmte Regierung wünsche. Sondern weil die Menschen in diesem Land ein Recht darauf haben, dass Politik endlich wieder funktioniert. Dass Entscheidungen getroffen werden. Klar und nachvollziehbar. Dass es wieder Ordnung gibt, auf die man bauen kann. Doch stattdessen erleben wir Machtspielchen, persönliche Eitelkeiten und eine Unverbindlichkeit, die das Fundament unserer parlamentarischen Demokratie gefährdet.
Als Liberaler macht es mich fassungslos, wie wenig Verantwortung in entscheidenden Momenten übernommen wird. Dabei wäre jetzt die Zeit für Klartext. Für Führungsstärke. Für ein klares Bekenntnis zu unserer freiheitlichen Grundordnung. Und für den Mut, schwierige Entscheidungen auch wirklich zu tragen. Doch stattdessen erleben wir das, was man schon zu oft gesehen hat: Taktieren, Wegducken, Nichtpositionieren. Und am Ende wundert man sich, warum so viele das Vertrauen in die Politik verlieren.
Ich sehe das auch mit Blick auf die eigene Partei. Natürlich schmerzt es, dass die FDP derzeit nicht im Bundestag vertreten ist. Aber gerade das schafft Klarheit. Frei von Koalitionszwängen und Rücksichtnahme. Jetzt ist der Moment, wieder deutlich zu sagen, worauf es ankommt. Auf Eigenverantwortung. Auf wirtschaftliche Vernunft. Auf einen handlungsfähigen Staat mit klaren Regeln und klaren Grenzen. Innen wie außen. Und auf Politiker, die zu ihrer Verantwortung stehen, statt sich hinter ihr zu verstecken.
Die Tatsache, dass ein frisch unterzeichneter Koalitionsvertrag nicht einmal die Kanzlerwahl übersteht, ist keine Randnotiz. Es ist ein Offenbarungseid. Und er zeigt, wie brüchig das Fundament der politischen Mitte geworden ist. Das darf niemanden kaltlassen. Im Gegenteil. Wer bürgerliche Politik will, braucht verlässliche Mehrheiten. Wer liberale Ordnung will, braucht stabile Verhältnisse. Wer unsere Demokratie erhalten will, muss jetzt Haltung zeigen. Nicht irgendwann. Jetzt.
Dass Friedrich Merz schließlich im zweiten Wahlgang mit 325 Stimmen gewählt wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich bin erleichtert. Nicht weil ich jede Entscheidung der neuen Regierung vorab gutheißen würde. Sondern weil die Alternative Stillstand gewesen wäre. Der Ausgang zeigt, dass es offenbar noch Abgeordnete gibt, die verstanden haben, worum es geht.