Manche Diskussionen wirken auf den ersten Blick harmlos, entpuppen sich dann aber als ziemliche Nebelkerze. So wie neulich ein Leserbrief, in dem eine „Millionärssteuer“ mit Artikel 14 des Grundgesetzes begründet wurde. Klingt wichtig. Ist es auch – aber nicht so, wie behauptet.
Zugegeben: Im Wahlkampf wird gern über Steuern gestritten. Und natürlich darf jeder eine Meinung haben. Nur sollte man bei Verfassungsfragen schon wissen, worüber man spricht. Deshalb hier mal ein kurzer Ausflug in die Realität des Grundgesetzes.
Artikel 14 – ja, den gibt’s. Aber…
Artikel 14 GG schützt das Eigentum. Punkt. Das bedeutet: Der Staat kann nicht einfach irgendwem das Haus, den Acker oder das Erbe wegnehmen, nur weil ihm das gerade passt. Auch nicht bei Millionären. Eigentum verpflichtet zwar – aber vor allem dazu, Bäume zurückzuschneiden und im Winter zu streuen. Im Ernst: Artikel 14 regelt das Verhältnis von Eigentum und Allgemeinwohl. Er erlaubt auch Enteignungen – aber nur mit Begründung und Entschädigung. Das hat mit Steuern erstmal gar nichts zu tun.
Steuern? Da war doch was…
Wer sich über eine mögliche „Millionärssteuer“ echauffieren will, sollte eher bei Artikel 105 GG nachschlagen. Da steht nämlich, wer welche Steuern erheben darf – und das ist der Bundestag. Der kann, wenn er will, eine Vermögenssteuer beschließen oder alte Regelungen wieder aktivieren. Ob das sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber mit Artikel 14 hat das nur am Rande zu tun – und zwar dann, wenn jemand meint, die Steuer sei so hoch, dass sie quasi einer Enteignung gleichkommt. Dann prüft das Bundesverfassungsgericht. Nicht der Stammtisch.
Fazit: Erst lesen, dann zitieren.
Wer in Debatten mit dem Grundgesetz winkt, sollte es vorher wenigstens einmal durchgeblättert haben. Dann bleibt die Diskussion vielleicht etwas sachlicher – und die Verfassung, wo sie hingehört: auf sicherem Boden.