Handyverbot? Augenmaß statt Symbolpolitik

Was sich heute im Niedersächsischen Landtag abspielt, klingt auf den ersten Blick nach klarer Kante: ein Handyverbot an Schulen soll her – zum Schutz der Kinder, gegen TikTok, gegen Ablenkung, gegen Mobbing. Die Argumente wirken nachvollziehbar, die Forderungen entschlossen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt ein Problem, das in der Politik öfter vorkommt: Es wird eine einfache Lösung für eine komplexe Realität präsentiert. Und das hat Folgen.

Ich halte wenig von pauschalen Verboten. Nicht aus Prinzip, sondern aus Erfahrung. Im echten Leben funktionieren klare Regeln nur, wenn sie zur Lebenswirklichkeit der Menschen passen. Bei Kindern und Jugendlichen heißt das heute: Das Digitale ist Teil ihres Alltags. Wer glaubt, man könne diese Realität an der Schultür ablegen, verkennt, wie tief vernetzt und selbstverständlich die Nutzung digitaler Medien inzwischen ist.

In Grundschulen mag ein klares Smartphone-Verbot richtig und notwendig sein. Kleine Kinder brauchen Orientierung, Schutz und pädagogische Führung, bevor sie mit dem digitalen Dauerfeuer in Berührung kommen. Aber weiterführende Schulen ticken anders. Jugendliche stehen an der Schwelle zur Selbstständigkeit. Sie brauchen nicht nur Schutz, sondern auch Anleitung – und das bedeutet eben nicht: alles wegschließen, was schwierig ist.

Ein pauschales Handyverbot an weiterführenden Schulen ist daher kein Zeichen von Verantwortung, sondern eher Ausdruck von Ratlosigkeit. Es schafft scheinbare Ruhe im Klassenzimmer, verschiebt aber die Probleme nur – nach draußen, in unbeaufsichtigte Räume, in den privaten Bereich, wo kein Lehrer mehr moderiert, keine Schulsozialarbeit erreichbar ist, keine pädagogische Rückkopplung stattfindet.

Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass junge Menschen sich daher sicher und verantwortungsvoll in der digitalen Welt bewegen, dann müssen wir ihnen das beibringen – nicht abgewöhnen. Medienbildung gehört fest in den Schulalltag. Sie muss Teil der Ausbildung für Lehrkräfte sein, nicht ein Zusatzmodul für Idealisten. Und ja, dafür braucht es Investitionen: in Schulsozialarbeit, in IT-Ausstattung, in Fortbildungen, in verlässliche digitale Infrastruktur.

Besonders kritisch sehe ich dabei die Haltung, einfach auf den Bund oder Brüssel zu verweisen. Klar, viele Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube sitzen im Ausland, sind schwer zu regulieren, und internationale Initiativen sind wichtig. Aber das darf kein Vorwand sein, um sich im eigenen Bundesland wegzuducken. Niedersachsen hat genug Einfluss – wenn es will. Es kann Standards setzen, Medienbildung verankern, Schulen Freiräume geben, um digitale Verantwortung einzuüben statt zu verbieten.

Schönreden will ich die Risiken sozialer Medien keineswegs. Mobbing, Selbstdarstellungsdruck, Suchtmechanismen – all das existiert und betrifft viele junge Menschen. Aber die Antwort darauf kann nicht sein, die Technik zu verbannen. Das wäre, als würde man bei Verkehrsunfällen Autos abschaffen wollen, statt Führerschein, Regeln und Fahrschulen weiterzuentwickeln.

Wichtig finde ich auch, dass endlich darüber gesprochen wird, wem wir eigentlich digitale Hoheit über unsere Kinder zugestehen. Dass die Landesregierung sich gegen die chinesische Einflussnahme über TikTok positioniert, ist richtig und überfällig. Aber hier endet die Verantwortung nicht. Echte digitale Souveränität entsteht erst, wenn wir unsere Kinder selbst stark machen – durch Bildung, nicht durch Verbote.

Wer Politik für die Lebenswirklichkeit machen will, muss zuhören, was an Schulen wirklich gebraucht wird. Und das sind keine Schilder mit dem Satz „Handys verboten“, sondern Konzepte, die Erziehung, Technik und Verantwortung sinnvoll verbinden. Alles andere ist Symbolpolitik. Und von der haben Lehrer, Eltern und Schüler schon genug.

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