Digital ist nicht immer besser

Manchmal frage ich mich, wann wir aufgehört haben, Verantwortung leise und zuverlässig zu leben – und stattdessen begonnen haben, sie möglichst öffentlich zur Schau zu stellen. Es gibt Entwicklungen im Alltag, bei denen das besonders auffällt. Sie wirken auf den ersten Blick modern, schnell und gut gemeint. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Es fehlt der Blick fürs Ganze. Zwei Beispiele aus unserem alltäglichen Leben in Bremervörde zeigen das deutlich.

Früher was es selbstverständlich: Wer einen Ausweis, ein Portemonnaie oder ein Schlüsselbund fand, brachte es ins Fundbüro oder zur Polizei. Das war nicht nur eine Frage der Ordnung, sondern auch des Vertrauens. Der ehrliche Finder wurde nicht bejubelt – aber er tat das Richtige. Heute läuft das anders. Da wird schnell ein Foto gemacht und auf Facebook hochgeladen, mit vollem Namen, Wohnadresse oder Versicherungsnummer. Öffentlich, für alle sichtbar. Mit dem Kommentar: „Kennt jemand diese Person?“

Gut gemeint? Vielleicht. Aber gut gemacht ist es nicht. Solche sensiblen Daten haben in sozialen Medien nichts zu suchen. Denn die wenigsten denken daran, dass diese Bilder nicht einfach wieder verschwinden. Sie bleiben im Netz, werden gespeichert, weitergeleitet, tauchen bei Google auf. Ob der Betroffene selbst überhaupt bei Facebook ist, spielt keine Rolle mehr. Hauptsache schnell geholfen, Hauptsache gesehen.

Dabei ist die Lösung so einfach wie altbewährt: Fundsachen gehören dorthin, wo sie sachlich verwaltet werden – ins Fundbüro oder zur Polizei. Wer das vergisst, hilft am Ende weniger als er glaubt. Und übertritt nebenbei auch noch klare Datenschutzregeln.

Das zweite Beispiel betrifft unsere Tiere. Genauer gesagt: Katzen. Ich habe selbst frei Freigänger. Sie kommen und gehen, wie es ihnen passt – wie das eben so ist auf dem Land. In Bremervörde gibt es viele solcher Tiere. Sie gehören zu Familien, zu älteren Menschen, manchmal zu Kindern. Aber was passiert immer öfter? Eine fremde Katze läuft durch den Garten, wirkt hungrig oder neugierig. Und sofort wird sie angefüttert, aufgenommen, teilweise eingefangen. Meist in bester Absicht. Doch die Folgen sind oft genau das Gegenteil von dem, was beabsichtig war.

Denn eine Katze, die irgendwo regelmäßig Futter bekommt, bleibt. Und wenn sie dann nicht mehr heimkommt, fehlt sie jemandem. Diese Art der „Hilfe“ bringt Unruhe in Nachbarschaften, sorgt für überfüllte Tierheime und belastet Tierärzte, Ehrenamtliche und Kommunen. Was als Tierliebe gedacht ist, endet nicht selten in Missverständnissen und Konflikten.

Auch hier wäre weniger Aktionismus oft mehr. Wer glaubt, ein Tier sei herrenlos, sollte nicht sofort handeln, sondern beobachten. Und wenn man tatsächlich helfen möchte, dann mit Fingerspitzengefühl. Es geht um Respekt. Vor den Tieren. Und vor den Menschen, zu denen sie gehören.

Wir in Bremervörde leben in einer Gemeinschaft, in der vieles noch funktioniert – gerade weil man sich kennt. Diese Kultur sollten wir nicht durch vorschnelle Posts oder übertriebene Eingriffe gefährden. Es geht nicht darum, niemanden mehr zu helfen. Es geht darum, wie wir helfen – und mit welchem Maß.

Digitale Werkzeuge können eine Ergänzung sein. Aber sie ersetzen nicht den gesunden Menschenverstand. Nicht bei Fundsachen. Nicht bei Tieren. Und auch nicht im Umgang miteinander. Manchmal hilft es mehr, wenn man Dinge bewusst nicht veröffentlicht. Sondern den klassischen Weg geht: still, verantwortungsbewusst und mit dem Ziel, echten Schaden zu vermeiden.

Denn am Ende zählt nicht, wie sichtbar eine gute Tat war. Sondern ob sie wirklich gut war.

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